Verlässlicher Helfer in der „Gurkenzeit“
Glücksfall: der kaufmännische Leiter Gottlieb Matthäus Stahl
Mehr als vier Jahrzehnte lang ist der Kaufmann Gottlieb Matthäus Stahl in leitenden Funktionen für Wieland tätig. Nach dem Tod des Gründers ist er der Witwe Mathilde Wieland eine wichtige Stütze und hilft ihr, das Unternehmen auch durch wirtschaftlich schwierige Zeiten zu steuern.
Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 kann sich die Wirtschaft zunächst eines kräftigen Aufschwungs erfreuen. Der „Gründerboom“ bringt allerdings auch überhitzte Spekulationen und Überkapazitäten mit sich, die schon 1873 zur sogenannten „Gründerkrise“ führen, ausgelöst von Einbrüchen an den Börsen in Berlin und Wien. Der Abschwung dauert bis zum Ende des Jahrzehnts und betrifft vor allem die Montanindustrie und den Maschinenbau – und damit auch Wieland.
Dies ausgerechnet in dem Moment, als der Firmengründer Philipp Jakob Wieland stirbt. Seine Witwe Mathilde legt unmittelbar nach seinem Tod die Firmen „Messing- & Metallwarenfabrik Wieland & Cie.“ und die „Feuerspritzen- & Glockenfabrikation Philipp Jakob Wieland“ zur Firma „Wieland & Cie.“ zusammen. Und sie erteilt ihrem „Schwager“ und langjährigen technischen Leiter Robert Wiegandt Prokura. Außerdem bestätigt sie die Prokura für einen Mann, „welche demselben schon vor 15 Jahren von meinem seligen Gatten ertheilt wurde“: Gottlieb Matthias Stahl, den sie gleichzeitig zum kaufmännischen Leiter ernennt.
Stahl ist seit 1841 bei Wieland und längst eine unverzichtbare Stütze im Alltagsgeschäft. Seit 1859 mit Prokura ausgestattet, kümmert er sich in leitender Funktion um alle kaufmännischen und vertrieblichen Angelegenheiten – ein Glücksfall für Mathilde Wieland. Wie detailliert er sie auf dem Laufenden hält, illustriert beispielhaft ein Brief, den er 1877, auf dem Höhepunkt der „Gründerkrise“, an seine Chefin schreibt:
„In den Monaten July und August, der sogenannten Gurkenzeit, ist es jedes Jahr flauer, nur war dies früher nicht so bemerkbar, da es immer 2–3 Monate alte Bestellungen im Rückstande gab, die über diese stille Zeit noch Arbeit genug gaben, jetzt sind aber nur 2–3 Wochen alte Commissionen im Buche und lebt man immer in der Angst, ob auch immer hinreichend Aufträge eingehen werden…“ Er hoffe aber, dass die nach der baldigen Ernte beginnenden Märkte eine „Nachfrage nach unseren Haushaltungs-Gegenständen“ bringe. Offenbar hat man auch die Preise gesenkt, die neuen Preislisten seien demnächst fertig und es „sollten die billigeren Preise auch manchen Auftrag einbringen.“
Wieland übersteht die „Gurkenzeit“ ebenso wie die „Gründerkrise“, auch dank des langjährigen Engagements sowie der Loyalität von Gottlieb Matthäus Stahl. Er stirbt 1886, nach 45-jähriger Tätigkeit bei Wieland.