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Story 055 – 1919 – Menschen

Mutiger Schritt in die Zukunft

1919 wird Wieland eine Aktiengesellschaft

Dass Wieland 1919 eine Aktiengesellschaft wird, hat keine finanztechnischen Gründe. Vielmehr geht es den Eigentümern vor allem darum, künftigen Generationen eine Beteiligung am Unternehmen zu sichern. Der Zeitpunkt ist allerdings ungünstig – bald schon erschüttert die Inflation die neue Aktiengesellschaft.

Im Dezember 1919 geben Philipp und Max Wieland, die Söhne des Gründers, bekannt, den Betrieb ihrer Werke in Ulm und Vöhringen auf die neu gegründete „Wieland-Werke AG“ mit Sitz in Ulm zu übertragen. Das Stammkapital der Aktiengesellschaft in Höhe von acht Millionen Mark halten die beiden Brüder je zur Hälfte. Die als offene Handelsgesellschaft firmierende „Wieland & Cie.“ bleibt zunächst als Eigentümerin der Produktionsanlagen bestehen, die sie an die Aktiengesellschaft verpachtet.

Die Aktien der AG werden nicht an der Börse gehandelt. Es geht den Brüdern nicht um die Gewinnung von Investoren, sondern um die Sicherung des Unternehmens auch über ihre eigenen Personen hinaus – und um eine Trennung zwischen dem Besitz von Anteilen durch womöglich zahlreiche Nachkommen von der operativen Führung der Firma. Zudem ist es dem „Geheimrat“ Philipp Ing. Wieland wichtig, sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und sich besser seinem politischen und gesellschaftlichen Engagement widmen zu können.

Vorstandsvorsitzender ist „Kommerzienrat“ Max Wieland, sein Bruder Philipp wird Vorsitzender des Aufsichtsrates. Diesem gehören außerdem der Industrielle Karl Schwenk, Teilhaber der gleichnamigen Zement- und Steinwerke sowie der Infanteriegeneral Karl Auer an, ein Schwager der Wieland-Brüder.

Die erste Bilanz der neuen Aktiengesellschaft weist für die beiden zwar eine Dividende von insgesamt 640.000 Mark (Reichswährung) aus – wirft aber einen düsteren Blick auf die wirtschaftlichen Aussichten: „Der großen Nachfrage … konnten wir infolge der Brennstoffnot nur in beschränktem Maße gerecht werden.“ Für das zweite Geschäftsjahr erwarte man Ergebnisse, „die durch die inzwischen eingetretene wirtschaftliche Krisis erheblich beeinflusst werden.“ Eine leider richtige Prognose. Schon 1922 vermindert die galoppierende Inflation das Geldvermögen des Unternehmens derart, dass die Grundstücke und Anlagen der „Wieland & Cie.“ auf die AG übertragen werden müssen; Anfang 1923 wird die altehrwürdige offene Handelsgesellschaft liquidiert. Der Höhepunkt der katastrophalen Hyperinflation ist zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erreicht, vor Wieland liegen Jahre, die zu den „trübsten seit Bestehen des Werkes“ zählen.

Auszug Geschäftsbericht 1919

Der erste Geschäftsbericht der 1919 gegründeten „Wieland-Werke AG“ weist einen Gewinn von 948.566,85 Mark aus. Geld, das schon bald von der galoppierenden Inflation entwertet wird.

Wieland Aktie 1920

Als Aktien noch wirkliche Papiere waren: 1920 werden die Anteilsscheine noch aufwändig gedruckt – inklusive der Unterschriften von Philipp und Max Wieland.

Auszug Banknote 1923

Im Herbst 1923 erreicht die Hyperinflation ihren Höhepunkt. Eine Katastrophe, die auch die noch junge „Wieland-Werke AG“ stark beeinträchtigt.