Story-Headerimage
6 min Lesedauer
Story 105 – 1911 – Menschen

Kein stilles Örtchen für Faulenzer

1911 sorgen in Vöhringen neue Toiletten für Ärger mit dem Amt

1911 kommt es zwischen Wieland und dem Königlichen Bezirksamt Illertissen zu einem ernsthaften Briefwechsel, der dennoch schmunzeln lässt. Es geht um fehlende Deckel bei neu installierten Toiletten.

Als Wieland in Vöhringen 1910 sein Walzwerk durch einen Anbau vergrößert, geht man das Unterfangen wohl durchdacht an. Allein die statischen Berechnungen zur „Vergrößerung eines Fabrikgebäudes“ umfassen 19 Seiten mit handschriftlichen Skizzen und Berechnungen; detailliert sind Materialien, Bauweisen und auftretende Kräfte dokumentiert.

Nach Fertigstellung der Halle, zu der auch Nebenräume gehören, muss das Gebäude von der Obrigkeit abgenommen werden. Hierzu schickt das Königliche Bezirksamt einen „Amtstechniker“ nach Vöhringen, der den Neubau eingehend inspiziert. Dabei beanstandet er einige kleinere Mängel, die heute nicht mehr dokumentiert sind zu denen Wieland zusichert, „Abhilfe zu schaffen.“

Sehr wohl dokumentiert ist aber die Beanstandung, „dass sich auf den Abortsitzen keine Deckel befinden.“ Anders als bei den übrigen Baumängeln verspricht Wieland in dieser pikanten Angelegenheit keine Abhilfe, sondern schickt dem Königlichen Bezirksamt einen vielsagenden Brief. „Wir bitten von der Auflage der Anbringung solcher Deckel Abstand nehmen zu wollen“, heißt es in dem Schreiben vom 30. August 1911, „da wir die Aborte mit Vorbedacht ohne Deckel gelassen haben.“ Erfahrungsgemäß würden solche Deckel „nur von solchen, die sich vor der Arbeit drücken wollen, als Ruhesitz benützt.“ Außerdem würden die Toilettendeckel „in der Regel doch nicht zugemacht und vielfach verunreinigt oder weggerissen.“

Ferner dürfe eine vom Amtstechniker vorgebrachte „oberpolizeiliche Vorschrift … hier nicht Platz greifen“: Das Walzwerk sei kein Wohngebäude – und die „fraglichen Abortanlagen“ seien außen am Gebäude angebaut und könnten mithin „nur von aussen betreten werden.“ Deshalb bitte man darum, „von der Auflage der Anbringung von Deckeln Abstand nehmen zu wollen.“
Mit schnellem Erfolg: Bereits zwei Tage später vermerkt ein Vertreter der Obrigkeit auf dem Rand des Schreibens, man solle der Firma Wieland & Cie. antworten, „daß die Anbringung der Deckel unterbleiben kann.“

Konstruktionszeichnung

Konstruktionszeichnung der neuen Halle für das Walzwerk in Vöhringen. Links oben sind als Anbau die außen am Gebäude liegenden Toilettenhäuschen zu erkennen. (Copyright Staatsarchiv Augsburg: Baupläne Illertissen 178/1910 - Zeichnung des neuen Fabrikgebäudes Vöhringen)

 

 

Schreiben an das königliche Bezirksamt

Schwarz auf Weiß: Die Argumente von Wieland überzeugen das Königliche Bezirksamt rasch, es genehmigt erstaunlich schnell den Verzicht auf die Toilettendeckel. (Copyright Staatsarchiv Augsburg: Baupläne Illertissen 178/1910 Schreiben über Baukontrolle)