Historie und Verantwortung – Die Wieland-Werke 1933–45
Die Kriegsjahre des Zweiten Weltkriegs waren auch für die Wieland-Werke AG eine schwierige Zeit, für die das Unternehmen historisch um seine Verantwortung weiß. Als Hersteller von NE-Halbzeugen erfuhr Wieland von Seiten der Behörden eine Vorzugsbehandlung, musste sich aber dennoch unermüdlich für den Fortbestand und Schutz des Unternehmens und dessen Mitarbeiter einsetzen.
In Schutt und Asche
1945 wird das Ulmer Werk fast vollständig zerstört
Bis kurz vor Kriegsende weitgehend verschont, wird der Ostteil Ulms – und damit auch das dortige Werk – im März 1945 Ziel eines alliierten Bomberangriffs. Rund drei Viertel der Gebäude werden beschädigt oder zerstört, die Produktion kommt vollständig zum Erliegen.
Als britische Bomber im Dezember 1944 einen Großangriff auf die Ulmer Innenstadt fliegen – den das Münster wie durch ein Wunder übersteht – wird das Ulmer Werk nur durch ein paar Zufallstreffer in Mitleidenschaft gezogen. Die Zerstörung eines Aufenthaltsraumes, des Lohnbüros und einiger Sozialräume beeinträchtigt die Produktion weit weniger als der mangelnde Nachschub an Material und Energie.
Am 1. März 1945 aber, einem wolkenlosen Vorfrühlingstag, fliegen rund 750 Flugzeuge der 8. US-Luftflotte am helllichten Tag die Ulmer Oststadt an, vorrangiges Ziel ist der Rangierbahnhof und damit das Unterbrechen von Nachschublinien. In 45 Minuten werfen sie 1.326 Tonnen Brand- und Sprengbomben ab. 13 davon treffen das Werksgelände und zerstören oder beschädigen 72 Prozent aller Gebäude, darunter den Rohrzug und das Lager.
Auch die Schreinerei brennt „lichterloh“, das Verwaltungsgebäude gibt ein „trostloses Bild“ ab, wie sich ein prominenter Zeitzeuge später erinnert. Vor dem Haupteingang klafft ein großer Bombenkrater. Die Werkfeuerwehr kann die Brände lange nicht unter Kontrolle bringen, weil die Saugleitungen zur Blau zerstört sind. Feuerwehren aus der Umgebung Ulms – unter anderem aus Vöhringen – können wegen zerstörter Straßen lange nicht zum Wieland Werk vordringen. Wie anno dazumal werden deshalb kleinere Brände mit der Kübelspritze bekämpft. Erst 12 Stunden nach Ende der Bombardierung, nachts um zwei Uhr, sind alle Flammen gelöscht.
Die Produktion kommt sofort und vollständig zum Erliegen. Erstaunlicherweise aber nicht wegen der unmittelbaren Bombenschäden, sondern wegen Strommangels. Die amerikanischen Besatzungsbehörden stellen später, selbst etwas erstaunt, fest: „Der Angriff vom 1.März 1945 … hatte dennoch keinen direkten Einfluss auf die Produktion, weil der Ausstoß der Fabrik wegen Energiemangels ohnehin schon sehr niedrig war.“ Tatsächlich war wegen fehlender Stromversorgung der monatliche Ausstoß zwischen November 1944 und Januar 1945 von 230 auf 90 Tonnen zurückgegangen.
Dennoch liegt, als am 22. April 1945 amerikanische Truppen nach Ulm einmarschieren, das Werk zweier Generationen buchstäblich in Schutt und Asche. Zumal auch die Privathäuser der Wieland-Familie nur noch Ruinen sind. Erschüttert schreibt Karl Eychmüller an Philipp Wieland: „Was werden wir in den kommenden Monaten und Jahren noch alles durchzumachen haben!“