Paradebeispiel für frühe Sozialeinrichtungen
1908 eröffnet in Vöhringen die neue Kantine mit Badeanstalt
Ein steinernes Zeugnis der überdurchschnittlichen Sozialleistungen von Wieland steht noch heute in Vöhringen: das Kantinengebäude mit angeschlossener Badeanstalt. Beide sind Ausdruck einer Fürsorge für die Arbeitnehmer, die weit über das Anfang des 20. Jahrhunderts Übliche hinausreicht.
Bereits ab etwa 1890 bestehen im Werk Vöhringen Möglichkeiten zur Körperpflege. Ein Anbau am Metallmagazin des Walzwerkes beherbergt vier Duschkabinen, sogar mit dampfgeheizter Wasserversorgung. Und: Ab 1897 wird das Wasser über Abhitzekessel erwärmt, die die Schmelzofenwärme zurückgewinnen – ein frühes Beispiel für den ressourcenschonenden Einsatz von Energie!
Für ihr leibliches Wohl müssen die Arbeiter zunächst noch selbst sorgen, vornehmlich in Form von mitgebrachten Kaltspeisen. Dies ändert sich 1899, als nicht nur weitere Waschräume geschaffen werden, sondern auch eine rund 200 Quadratmeter große Kantine eingerichtet wird. Deren kleine Küche freilich schon wenige Jahre später dem Ansturm der nunmehr über 600 Beschäftigten nicht mehr gewachsen ist.
So entsteht 1906 der Plan, ein großzügiges Gebäude komplett neu zu erbauen und darin sowohl eine Badeanstalt als auch die Kantine unterzubringen. Sicher nicht nur von der Fürsorge um die Arbeiter motiviert, sondern auch, um den einflussreicher werdenden Gewerkschaften etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Der imposante Neubau entsteht 1908. Die Badeanstalt liegt vollständig im Untergeschoss, zu ihr gehören 11 Wannenbäder, 23 Duschkabinen, ein Warte- und ein Sanitätsraum. Wer die Einrichtungen wann (ausschließlich nach Geschäftsschluss!) benutzen darf, ist detailliert geregelt. Neu ist, dass hierzu auch Familienangehörige gehören. Bereits Tradition hat hingegen, dass das Wasser mit Abwärme aus der Gießerei aufgeheizt wird.
Die Kantine, in der es separate Räume für Angestellte und Führungskräfte gibt, bietet Frühstück, Mittag- und Abendessen. Das Mittagessen besteht aus Suppe, Fleisch, Gemüse und Brot und kostet 40 Pfennig, in etwa ein Stundenlohn. Wer das nicht mag, findet Vorrichtungen zum Erwärmen mitgebrachter Speisen.
Einem ganz anderen Zweck dient der Speisesaal mit seinen außergewöhnlichen Fenstern an Sonntagen: Bis 1934 hält die evangelische Gemeinde von Vöhringen mangels eigener Kirche hier ihre Gottesdienste ab.